Aussichtslos: Bestatter sind keine Heiler
Justiz immer noch zurückhaltend
"Wir beschäftigen uns seit fast dreißig Jahren mit fast identischen Frage- und Problemstellungen, ohne einen merklichen Fortschritt zu erzielen. Noch immer haben wir keine Strategie, wie eine skeptische und zurückhaltende Justizpraxis überzeugt werden könnte. Noch immer hängen wir am Tropf der Staatsanwaltschaften und hoffen auf die milde Gabe einer TOA-Zuweisung, wir erbringen immer neue Anpassungsleistungen, die unser Angebot einer zivilgesellschaftlichen Reaktion auf Straftaten mehr und mehr verwässern.“
Wie kann Fortschritt entstehen in einem Umfeld, das keine Veränderung will? Der Kriminologe Klaus Sessar hat es einmal auf den Punkt gebracht, als er davon sprach, dass das Strafbedürfnis der Bevölkerung hauptsächlich in den Köpfen der StrafjuristInnen existiert.
Die strafrechtlichen Sanktionen haben die Aufgabe, die durch die Tat gestörte Ordnung wiederherzustellen und zu sichern. Diesem Ziel dienen sowohl die Strafen als auch — als „zweite Spur“ des Systems — die Maßregeln zur Besserung und Sicherung. Der Gedanke, dass die Ordnung auch durch eine autonome (eigenverantwortliche) Bereinigung der Betroffenen wiederhergestellt werden kann, spielt - obwohl gesetzlich verankert - kaum eine Rolle. Dieser „dritten Spur“ muss zu mehr Anerkennung und Anwendung verholfen werden. Konfliktschlichtung sind – obwohl bei den direkt Betroffenen hoch im Kurs stehend – in justiziellen Umfeld ein Fremdkörper, stellen sie doch ein punitives Vorgehen permanent in Frage. Ausgerechnet von dort den Fortschritt zu erwarten, hieße tatsächlich im Bestatter den Heiler wecken zu wollen.